Anita Papenheinrich betreut ehrenamtlich Menschen in Notfallsituationen – auch am Dienstag in Delbrück
Ostenland (WV). »Es wird alles wieder gut.« Nein, so ein Satz darf Notfallbegleiterin Anita Papenheinrich nie über die Lippen kommen, wenn sie im Einsatz ist. »Denn es wird nichts wieder gut. Das ganze Leben wird anders nach einem Todesfall«, sagt sie. Am Dienstag wurde die Ostenländerin nach dem tödlichen Unfall nach Delbrück gerufen.Seit sieben Jahren engagiert sich Anita Papenheinrich im Verein »Notfallbegleitung und Notfallseelsorge im Kreis Paderborn«. Dienstag wurde sie zum Schulhof der St.-Marien-Grundschule gerufen.
»Ich war zum Einkaufen unterwegs, als ich den Rettungshubschrauber sah. Kurz darauf klingelte mein Handy«, erinnert sie sich. Seit sieben Jahren arbeitet die 43-Jährige ehrenamtlich für den Verein »Notfallbegleitung und Notfallseelsorge im Kreis Paderborn«. Nicht nur bei tödlichen Unfällen ist die Hilfe der Notfallbegleiter gefragt. »Wir begleiten die Polizei auch beim Überbringen von Todesnachrichten oder helfen Betroffenen bei anderen Todesfällen, zum Beispiel, wenn ein Baby an plötzlichem Kindstod stirbt«, berichtet sie.
Durch persönliche Erfahrungen kam die Ostenländerin dazu, selbst als Notfallbegleiterin arbeiten zu wollen. Sie bildete sich fort, in Bereichen wie Gesprächsführung, Umgang mit traumatisierten Menschen oder Zusammenarbeit mit dem Rettungsdienst. Doch wirklich vorbereiten kann man sich nicht auf das, was in der Praxis wartet. »Wenn das Handy geht und ich gerufen werde, dann ist das für mich eine Fahrt ins Ungewisse. Die Polizei oder Feuerwehr informieren mich zwar, wo ich hinkommen soll und was passiert ist – aber wie die Menschen reagieren, auf die ich treffe, das sehe ich erst vor Ort. Mal schreien sie vor Trauer und Verzweiflung, mal schweigen sie eine halbe Stunde.« Zweimal musste sie bereits erleben, dass sie zu Menschen gerufen wurde, die ihrem Freundeskreis angehören.
Insgesamt sind zwölf ehrenamtliche Helfer für den Verein aktiv. Es gibt einen Dienstplan, der der Feuerwehrleitstelle in Ahden vorliegt. Wenn Anita Papenheinrich gerufen wird, dann hat sie immer ihre Notfalltasche dabei. »Darin sind jede Menge Straßenkarten, außerdem ein Gebetsbuch und eine Kerze, Kuscheltiere und Gummibärchen, um Kinder beruhigen zu können. Manche Kollegen haben auch Zigaretten dabei«, sagt sie.
Das Unglück am Dienstag hat sie erschüttert. »Aber jedes Unglück ist schrecklich, ich kann das nicht einstufen in schlimme und weniger schlimme Unglücke. Für die Betroffenen ist es immer furchtbar.« Bis kurz vor Mitternacht war sie am Dienstag auf dem Schulhof an der Leipziger Straße, Mittwoch unterstützte sie die Krisenteams an der Realschule.
»Wichtig ist es, Vertrauen zu den Menschen aufzubauen, die unsere Hilfe brauchen. Ich erzähle nicht viel, ich bin da. Aber wenn ich etwas sage, dann müssen diese Worte bedacht gewählt sein, meine ersten Worte wird sich der Betroffene wahrscheinlich sein ganzes Leben lang merken«, weiß sie. Daher sind Phrasen und Worthülsen tabu. Auch für Sandra K.s Familie und Freunde wird nichts wieder gut. Es wird anders. Nach der ersten Hilfe für die Seele, wie Anita Papenheinrich ihre Arbeit beschreibt, müssen viele Betroffene oft jahrelang verarbeiten, was sie erleben mussten. »Das geht meist nur mit Hilfe von hauptberuflichen Experten. Wir sind im ersten Moment da und vermitteln weitere Hilfe. Mehr nicht.« Und doch ist das für viele schon eine ganze, ganze Menge.
von Meike Oblau
WESTFALEN-BLATT, Freitag, 22.Juli 2011